Aktuelle Meldungen aus den Bereichen betriebliche Altersversorgung, Zeitwertkonten und Versicherungsrecht von Rechtsanwalt Dr. Reich

Aufklärungspflicht des Versicherers bei unüblicher Vertragsgestaltung

Berlin, 6.12.2011. Bei Lebensversicherungen, die in ihrer Konzeption grundlegend von der auf dem deutschen Markt üblichen Vertragsgestaltung abweichen, muss der Versicherer über die Besonderheiten dieser Verträge verständlich informieren. Diese Information kann durch persönliche Beratung oder durch geeignete schriftliche Unterlagen geschehen. Unterlässt der Versicherer dies, haftet er.

Der Entscheidung des OLG Stuttgart (Urteil vom 17.11.2011, 7 U 100/11) lag eine Lebensversicherung von Clerical Medical zu Grunde, die im Rahmen eines kreditfinanzierten Altersvorsorgemodells über einen Makler vermittelt wurde. Die Beratung durch den Makler müsse sich der Versicherer als Erfüllung eigener Pflichten zurechnen lassen, da dem Versicherer nicht verborgen geblieben sein könne, dass der Makler sich den Unterlagen des Versicherers bediente. Das OLG Stuttgart hat damit den Weg der Rechtsprechung fortgesetzt, eine Haftung des Versicherers trotz Beratung durch einen Makler zu bejahen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2011, 12 U 173/10). Zumindest unter Geltung des aktuellen VVG ist dies jedoch fragwürdig, da die Informationspflichten des Versicherers gem. § 6 VVG gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht anwendbar sind, wenn die Versicherung von einem Makler vermittelt wird. -tr-


Zuschläge für unterjährige Prämienzahlung bei Lebensversicherungen gesetzeskonform

Berlin, 24.11.2011. Zuschläge, die bei Lebensversicherungen für eine monatliche Prämienzahlung erhoben werden, sind rechtlich zulässig. Dies hat das Hanseatische Oberlandesgericht entschieden (OLG Hamburg, 9 U 97/11, 9 U 103/11, 9 U 108/11). Die entgegenstehenden erstinstanzlichen Urteile wurden aufgehoben. Dem Verfahren lagen Klagen der Hamburger Verbraucherzentrale zu Grunde, die in Zuschlägen bei einer unterjährigen Zahlweise einen Verstoß gegen die für Kreditverträge geltende Preisangabenverordnung sowie gegen das Verbraucherkreditrecht sah. Das Gericht stellte hingegen klar, dass es sich nicht um Kredite handelt. Die Zuschläge werden als Teil der Prämie wie diese insgesamt auf die Abdeckung des Todesfallrisikos, auf den Sparanteil sowie auf den größeren Verwaltungsaufwand entsprechend den Vorgaben der BAFin aufgeteilt. Bei den Zuschlägen handelt es sich daher gerade nicht um die Gegenleistung für eine Kapitalnutzungsmöglichkeit im Sinne eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs. Im Übrigen seien die maßgeblichen EU-Regelungen zu Kreditverträgen ausdrücklich nicht auf Versicherungsverträge anwendbar, die spezielleren Informationspflichten des Versicherungsrechts vorrangig. Auch der Vorwurf mangelnder Transparenz gehe ins Leere, da einerseits die Zahlungsbelastungen erkennbar seien, und es andererseits der genauen Höhe des Zuschlags nicht bedürfe.

Ähnliche Klagen sind vom LG Stuttgart, sowie vom LG Frankfurt am Main entschieden worden. Das OLG Hamburg hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zum BGH zugelassen. -tr-

Beitragssatz des Pensions-Sicherungs-Vereins beträgt 1,9 Promille für 2011

Berlin, 06.11.2011. Der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV a.G.) hat den Beitragssatz für das Jahr 2011 auf 1,9 Promille festgesetzt. Der Beitragssatz bewegt sich auf dem Niveau des Vorjahres und liegt unter dem langfristigen Durchschnitt von 3,1 Promille.

Der Betrag, der in diesem Jahr für den insolvenzbedingten Ausfall von Betriebsrenten von den übrigen Unternehmen aufgebracht werden muss, liegt mit 560 Mio. € dabei leicht über dem Vorjahreswert von 547 Mio. €. Damit hat sich die erfreuliche Entwicklung relativ geringer Insolvenzquoten fortgesetzt, nachdem für das Krisenjahr 2009 der Beitragssatz 14,2 Promille betragen hatte. Maßgeblichen Anteil hatten in 2009 dabei Großschäden, die 2011 nicht zu verzeichnen waren. Um die außerordentliche Belastung der Unternehmen in 2009 zu reduzieren, war die Fälligkeit von Teilbeträgen des für 2009 angefallenen Beitrages auf die Jahre 2010 bis 2013 verschoben worden. In diesem Zeitraum sind daher zusätzlich zum Beitragssatz jeweils weitere 1,5 Promille aus dem Jahr 2009 zu addieren, so dass der tatsächliche Beitragssatz bei 3,4 Promille für 2011 liegt. -tr-

Versicherung haftet für Fehler des Maklers bei Übertragung typischer Versichereraufgaben

Berlin, 28.10.2011. Wird ein Makler vom Versicherer in dessen Betriebsorganisation mit Aufgaben betraut, die typischerweise dem Versicherer als Anbieter eines Versicherungsproduktes obliegen, haftet der Versicherer für die fehlerhafte Beratung durch den Versicherungsmakler (OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2011, 12 U 173/10). -tr-

Mangelnde Beweiskraft von Beratungsprotokollen, wenn lediglich Ankreuzen von Texbausteinen erfolgt

Berlin, 27.10.2011. Gibt ein vom Versicherungsnehmer unterschriebener Beratungsbericht keine konkreten Gesprächsinhalte wieder, sondern enthält dieser nur vorformulierte Angaben über den Ablauf des Gesprächs, die durch Ankreuzen zu bestätigen sind, ist dieser nicht geeignet, eine ordnungsgemäße Beratung des Versicherungsnehmers zu beweisen. Behauptet der Versicherungsnehmer, vom Versicherungsmakler nicht ordnungsgemäß beraten worden zu sein, hat letzterer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast substantiiert vorzutragen, dass er den Versicherungsnehmer umfassend aufgeklärt hat. Dem Fall lag die Vermittlung einer fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherung zugrunde, bei der das Gericht aufgrund der konkreten risikobehafteten Anlage einen erhöhten Beratungsbedarf angenommen hat (LG Wuppertal, Urteil vom 4.8.2011, 9 S 99/10). -tr-

Pflegezeitkonten: Neue gesetzliche Regelung

Berlin, 20.10.2011. Der Bundestag hat das Familienpflegezeitgesetz beschlossen, das zum 1.1.2012 in Kraft treten soll. Um Beruf und Pflege Anghöriger besser miteinander vereinbaren zu können, sollen Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit für die Dauer von bis zu zwei Jahren um maximal 15 Stunden verringern können. Ermöglicht wird dies über ein Zeitkonto. Wird beispielsweise die Arbeitszeit in der Pflegephase auf 50% reduziert, erhält der Arbeitnehmer trotzdem 75% des letzten Bruttoeinkommens. Nach dem Ende der Pflegephase ist wieder voll zu arbeiten. Der Mitarbeiter erhält dabei so lange weiterhin 75% des Einkommens, bis das Zeitkonto ausgeglichen ist.

Da zusätzlich Leistungen zur gesetzlichen Rentenversicherung aus der Pflegeversicherung gezahlt werden, ergeben sich für den Arbeitnehmer trotz Absenkung der Arbeitszeit Rentenansprüche annähernd auf dem Niveau, wie sie sich auch ohne eine Absenkung der Arbeitszeit ergeben hätten.

Die teilweise Lohnvorauszahlung des Arbeitgebers in der Pflegephase kann dieser über ein zinsloses Darlehen finanzieren. Diese wird vom neu geschaffenen Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) gewährt. Der Arbeitnehmer hat eine private Familien-Pflegezeit-Versicherung abzuschließen. Diese sichert den Arbeitgeber gegen das Risiko ab, dass der Arbeitnehmer aufgrund von Berufsunfähigkeit oder Tod nicht in der Lage ist, die ihm während der Pflegephase gezahlten Entgeltvorauszahlungen zurückzuleisten. -tr-

Haftung des Versicherers wegen Verletzung von Beratungspflichten trotz Vermittlung durch Makler

Berlin, 15.10.2010. Auch wenn die Vermittlung einer Lebensversicherung durch Einschaltung eines Maklers erfolgt, kommt eine Haftung der Versicherung wegen Verletzung eigener Beratungspflichten in Betracht. Dies ist dann der Fall, wenn der Versicherer hätte erkennen müssen, dass trotz Beratung durch den Makler, die grundsätzlich durch diesen durchzuführen ist, der Versicherungsnehmer sich in einem Irrtum befindet. Ist in einem Versicherungsantrag nicht deutlich genug hervorgehoben, dass im Todesfall nur Hinterbliebene im Sinnde des § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG  Leistungen erhalten und gibt der Versicherungsnehmer seine Lebensgefährtin als Bezugsberechtigte an, so haftet der Versicherer wegen Verletzung eigener Beratungspflichten, d.h. trotz Einschaltung eines Versicherungsmaklers, auf Schadensersatz.

Im entschiedenen Fall war der Versicherungsnehmer bei Abschluss einer Basisrentenversicherung fälschlicherweise davon ausgegangen, dass bei seinem Tod seine Lebensgefährtin die Versicherungsleistung erhalten würde. Diese war daher auch als Bezugsberechtigte eingetragen. Tatsächlich schied eine Leistung an diese jedoch aus, da sie keine Hinterbliebene im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG war. Da dieser Irrtum für den Versicherer erkennbar war, wäre dieser nach Ansicht des Gerichts zur Richtigstellung gemäß den Geboten von Treu und Glauben verpflichtet gewesen. Daher haftet der Versicherer gesamtschuldnerisch zusammen mit dem Makler für den Beratungsfehler (OLG Saarbrücken, Urteil vom 4.5.2011, 5 U 502/10). -tr-